Intersektionales Stadthaus

Wien, Austria
Dibuix © GABU Heindl Architektur
Dibuix © GABU Heindl Architektur
Dibuix © GABU Heindl Architektur
Fotografia © Alejandra Loreto
Fotografia © Alejandra Loreto
Fotografia © Alejandra Loreto
Fotografia © Alejandra Loreto
collage by GABU Heindl
Fotografia © Alejandra Loreto
Fotografia © Alejandra Loreto
Architects
GABU Heindl Architektur
Localització
Wien, Austria
Any
2016
Client
Verein für die Barrierefreiheit in der Kunst, im Alltag, im Denken Association for the remove of barriers in arts, in everyday life
Equip
GABU Heindl Architektur; Workshops: Gabu Heindl und Lisi Zeininger
Architekturprozess GABU Heindl Architekt
Gabu Heindl und Lisi Zeininger
Planung
2015 - 2016
Bauzeit
2015 - 2016
AuftraggeberIn
Verein für die Barrierefreiheit in der Kunst, im Alltag, im Denken

Intersektionales Stadthaus - solidarisches Wohnen
Kooperative Planung und kollektiver Umbau eines dreigeschoßigen Hofhauses zu einem Einküchenhaus
Verein für die Barrierefreiheit in der Kunst, im Alltag, im Denken

Selbstorganisation
Der Verein für die Barrierefreiheit in der Kunst, im Alltag, im Denken besteht aus Menschen, die Treppen nutzen, anderen, die den Lift nehmen; aus Menschen unterschiedlichen Alters von 6 bis 60 Jahren, mit unterschiedlichen Geschlechteridentitäten und Sprachkenntnissen sowie unterschiedlichen Arten legalisierten Aufenthalts. Einige der Mitglieder sind als antirassistische, queere oder künstlerische AktivistInnen tätig oder arbeiten in Vereinen für Antidiskriminierung, Genderfragen und Gewaltprävention. Sie haben sich über Jahre hinweg mit emanzipatorischen Projekten auseinandergesetzt und selbst in unterschiedlichen Wohngemeinschaften gelebt. Ihr gemeinsames Ziel war es, eine zur hegemonialen Kleinfamilienwohnung alternative Wohnform zu entwickeln. Nach längerer Suche war ein teils ungenutztes Hofhaus in der Grundsteingasse gefunden, um eine Art "Einküchenhaus" zu konzipieren. In gemeinsamen Planungsworkshops, an denen alle Vereinsmitglieder teilnahmen, wurde die Aufteilung des Hauses in großzügige Gemeinschaftsräume (gerade auch in den Erschließungsflächen) und in diverse unterschiedlich kleine Privaträume im Konsensprinzip entwickelt. Das Haus sollte dann dementsprechend großteils im Selbstbau umgestaltet werden, während die baulichen Maßnahmen für die Barrierefreiheit von Bau- und Liftfirma übernommen wurden. Dieser Ansatz des Selbstbauens geht zum Teil auf die Wiener Siedlerbewegung in den 1920er Jahren zurück.

Übersetzung
Mithilfe von ÜbersetzerInnen haben wir als Architektinnen in allen Sprachen der Anwesenden durch die gemeinsamen Architektur-Workshops geführt. Dabei ging es in den Übersetzungen nicht nur um die Wörter der einzelnen Sprachen, sondern auch um Verständnis und Hinterfragung von Lebens- und Wohnkonzepten. Was versteht man überhaupt unter einem intimen Raum? Wie groß muss er sein? Wie groß soll die Küche sein oder das Wohnzimmer? Übersetzung im doppelten Sinn.

Solidarische Ökonomie
Weil er Barrierefreiheit nicht nur im Namen trägt, nimmt der Verein das Konzept der Barrierefreiheit in mehrfacher Hinsicht ernst. Obwohl wenig Geld vorhanden ist, leistet sich der Verein durchgängig bauliche Barrierefreiheit, wird ein Home-Lift über alle Geschoße eingebaut. Alle Mitglieder, auch die RollstuhlnutzerInnen, und BesucherInnen sollen in alle Geschoße gelangen können. Das ist gerade wenn mensch kein Geld hat, sehr teuer, aber nachhaltig. Hingegen sind die Fliesen im Badezimmer Second Hand und vieles mehr gekauft oder geschenkt. Nicht zuletzt verfolgt die Gruppe auch bei der Finanzierung der monatlichen Kosten (Miete plus Rückzahlung der Kredite) das Prinzip aktiver Umverteilung: unabhängig davon, wer welchen Privatraum in welcher Größe und Lage bezieht, trägt jede/r soviel zu den monatlichen Kosten bei, wie er/sie geben kann.

Standards
Ein Lift über drei Geschoße innerhalb einer einzigen übergroßen Wohnung wäre im Wiener Wohnbau nicht leicht realisierbar. Dafür wurden andere Standards legerer gehandhabt, ganz im Sinn der langjährigen Forderung der ArchitektInnenschaft, überzogene Standards zu hinterfragen und stattdessen zu definieren, was als emanzipierende Standards, gestalterische Standards oder Standards im Sinn des Schutzes von Menschenleben wichtig ist. Während für das Haus in der Grundsteingasse sicher keine Tiefgarage nötig ist – niemand besitzt ein Privatauto –, investiert der Verein in seinem Selbstverständnis zur durchgängigen Barrierefreiheit.
Als selbstauferlegter Standard definiert das eine klare Prioritätensetzung: Jeder Mensch soll freien Zugang zu jedem Raum im Haus haben und sich diese Barrierefreiheit auch leisten können. Zugleich geht es dem Verein auch darum, Chancengleichheit zu leben und fördern: Barrierefreiheit im doppelten Sinn.

Intersektionalität
Das Haus in der Grundsteingasse ist auch ein intersektionales Stadthaus in doppeltem Sinn. Zum einen als Schnitt durch das Gebäude gedacht: Über alle drei Geschoße mitsamt der Stiegenhäuser gibt es eine zentrale Küche, keine einzelnen Wohnungseinheiten, sondern entweder großzügige kollektiv genutzte Räume oder kleine private Rückzugsräume. Die zweite, weniger räumliche Bedeutung von "intersektional" betrifft die Mitglieder, die aus teils queerem, teils migrantischem Umfeld kommen, die alle keine besonders wohlhabenden Menschen sind – aber jedenfalls solidarisch sozialisiert.

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